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Projekttreffen Straßburg (September 2021)

Am 23. und 24. September 2021 war er so weit: erstmals seit unserem Projekttreffen in Landau in der Pfalz vor zwei Jahren konnten wir uns wieder in Präsenz treffen. Das 6. NAVEBGO-Projekttreffen fand diesmal in Straßburg, Frankreich statt und wurde von den Projektpartnern der Universität Straßburg organisiert.

IMG 5099Highlight war eine Exkursion ins Stadtviertel Adelshoffen – Schiltigheim, in dem die Wissenschaftler*innen des Instituts Erde und Umwelt der Universität Straßburg (ITES) Feldversuche zur Auswaschung von Bioziden aus Fassadenfarben durchführen. Darüber hinaus untersucht eine weitere Arbeitsgruppe der Universität Straßburg (SAGE) im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Studie die Wahrnehmung von Fassaden und der Biozidproblematik unter den Bewohner*innen des Stadtviertels. Begleitet wurde die Exkursion durch einen Journalisten der französischen Zeitung „20 minutes“. Der Artikel ist dort am 25. September 2021 erschienen.

Auch dieses Mal durften wir wieder Michael Burkhardt, Professor an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil und Experte im Bereich der Stoffemissionen aus Baustoffen als Gast auf unserem Treffen begrüßen. Vielen Dank dafür!

Abgerundet wurde das Projekttreffen durch ein gemeinsames Abendessen in Schiltigheim und einer kleinen abendlichen Stadttour durch Straßburg. Vielen Dank an alle Mitarbeitenden der Universität Straßburg für die tolle Organisation unseres NAVEBGO-Projekttreffens!

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Berichte aus den Arbeitsgruppen

Gastvortrag von Michael Burkhardt

Bild Burkhardt2Moderne Gebäude unterliegen vielen verschiedenen Nutzungen, besitzen unterschiedlichste Architekturen und bestehen aus einer großen Vielzahl an Materialien. Daher existieren unterschiedliche Anforderungen an die verschiedenen Bauprodukte, was zu einer großen Vielzahl an Stoffen führt, die darin verwendet werden. Beispiele sind Biozide zum Schutz der Fassaden vor Algen- und Pilzwachstum (Terbutryn, Diuron etc.), Substanzen zum Durchwurzelungsschutz von Bitumenbahnen unter Dachbegrünungen (Mecoprop-P etc.), organische Korrosionsschutzmittel oder eine große Anzahl an Zusatzstoffen wie z.B. Flammschutzmittel und UV-Filter.

Bild Burkhardt7Mit der Alterung von Baustoffen, geht meist auch eine Freisetzung der darin enthaltenen Substanzen einher. Diese ist stark von den Material- und Stoffeigenschaften, aber auch von der Ausrichtung der Gebäudeteile, abhängig. So ist der Regenabfluss von Dächern um Größenordnungen größer, als von Fassadenflächen. Auch die Auswaschung von Bioziden ist von Fassaden, die in die Hauptwindrichtung ausgerichtet sind, größer als von den anderen Gebäudeseiten. In Abhängigkeit der Bewirtschaftung des Regenwassers (Versickerung, Misch- bzw. Trennkanalisation) landen die Substanzen dann in Oberflächengewässern, Grundwasser oder aber in den Kläranlagen.

Auf nationaler und europäischer Ebene gibt es eine Vielzahl von Regularien, die die Vermarktung von Bauprodukten (z.B. Verordnung (EU) Nr. 305/2011), die Verwendung von Biozidprodukten (z.B. Verordnung (EU) Nr. 528/2012) oder ganz allgemein die Verwendung und Vermarktung von Chemikalien (REACH) regeln. Häufig sind darin jedoch die konkreten Auswirkungen der Substanzen sowie ihrer Transformationsprodukte auf Gewässer, Böden und Organismen noch nicht ausreichend abgebildet.

Bild Burkhardt5In der Schweiz gibt beispielsweise das Merkblatt „Abwasserbewirtschaftung bei Regenwetter“, welches durch den Verband „Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute“ (VSA) herausgegeben wird, konkrete Hinweise zur Behandlung von mit Schadstoffen belastetem Niederschlagswasser in Abhängigkeit von desseBild Burkhardt4n Herkunft (z.B. Dächer oder Fassaden), der Art (z.B. Biozide, Schwermetalle etc.) und der Intensität der Belastung („gering“, „mittel“, „hoch“). Darüber hinaus gibt es in der Schweiz auch eine Umweltetikette, die Beschichtungsstoffe, wie z.B. Fassadenfarben, nach Kriterien von Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie ihrer Gebrauchstauglichkeit einstuft. Der VSA führt seit neuestem auch eine Liste mit Internetadressen, bei denen man sich darüber informieren kann, wie man die Belastung und den Abfluss von Niederschlagwassers vermeiden kann.

Gastvortrag von APRONA

Bild APRONA2APRONA (« l'Association pour la Protection de la Nappe Phréatique de la Plaine d'Alsace «) ist ein französischer Verband zum Schutz des Grundwassers der elsässischen Tiefebene und assoziierter Partner im Projekt NAVEBGO. Aufgabe von APRONA ist die Beobachtung von Quantität und Qualität des Grundwassers im Elsass sowie die Bereitstellung von Informationen an verschiedene Akteure im Bereich Wasser (www.aprona.net).

In einem Forschungsprojekt untersuchten die Wissenschaftler*innen von APRONA die Auswirkungen einer Versickerungsanlage für Straßenregenwasser auf das Grundwasser. Darüber hinaus ist APRONA Initiator eines neuen grenzüberschreitenden Projekts, das insbesondere einen Arbeitsbereich vorschlägt, der darauf abzielt, die Empfindlichkeit des Rhein-Aquifers gegenüber dem Eintrag von Mikroverunreinigungen über die Flüsse in der Nähe von Abwassereinleitungen und Kläranlagen auf der Ebene mehrerer Pilotstandorte abzuschätzen. Eines der Ziele dieses Arbeitsbereichs ist die Bewertung des Vorhandenseins chemischer Schadstoffe in der Kläranlage, im Oberflächenwasser und im Grundwasser.

Bericht aus Landau

Arbeitsgruppe Funktionelle Aquatische Ökotoxikologie (AG FAÖ)

Stand

Bild FAÖ1Im Rahmen von NAVEBGO führen die Wissenschaftler*innen der Arbeitsgruppe Funktionelle Aquatische Ökotoxikologie der Universität Koblenz-Landau ökotoxikologische Untersuchungen mit den Testorganismen Daphnia magna (Wasserfloh) und Desmodesmus subspicatus (Grünalge) durch.

Fassadenfarben können verschiedene Stoffe zugesetzt sein, die die Bildung von Algen und Pilzen auf Fassaden verhindern sollen. Das können neben organischen Bioziden, wie Terbutryn und Diuron, auch Nanopartikel (Titandioxid - TiO2, Silbernanopartikel - nAg) sein, da diese häufig auch eine biozide Wirkung besitzen.  Im Fokus der aktuellen Untersuchungen steht das ökotoxikologische Potential dieser Nanopartikeln, die durch Regenwasser aus den Fassadenfarben ausgewaschen werden und in die Umwelt gelangen können. Dabei werden die chronischen Effekte auf den Wasserfloh Daphnia mit Hilfe sogenannter Mehrgenerationstests untersucht. Hierbei wird der Testorganismus den Nanopartikeln über mehrere Generationen hinweg ausgesetzt. Währenddessen wird in regelmäßigen Abständen Sterblichkeit, Reproduktion sowie die Größe der Wasserflöhe erfasst. Die Versuche sowie die Auswertung der Ergebnisse laufen derzeit noch.

Weiteres VorgehenBild FAÖ2

Neben der Weiterführung der chronischen Toxizitätstests (Multigenerationstests mit Daphnia) mit Nanopartikeln bzw. Nanopartikel-haltiger Farbe, werden die Forscher*innen der Arbeitsgruppe FAÖ der Universität Koblenz-Landau ökotoxikologische Untersuchungen an Proben aus den verschiedenen Feldexperimenten des Instituts Erde & Umwelt der Universität Strasbourg (ITES) durchführen.

Berichte aus Strasbourg

Labor Gesellschaften, Akteure und Regierung/Herrschaft in Europa (SAGE)

Stand

Bild SAGE1Die Wissenschaftler*innen des Labors SAGE der Universität Strasbourg führten unter Maler*innen im Elsass eine umfangreiche Umfrage zur beruflichen Praxis der verwendeten Farbsysteme, zu den Verbindungen zwischen Hersteller*innen und Lieferant*innen sowie zur Funktion der Fassade durch. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Maler*innen im Elsass überwiegend Siloxanfarben, die meist Biozide enthalten, verwenden.  Mineralische Farben werden dagegen nur sehr sporadisch verwendet. Häufig werden diese als schwer anzuwenden und als weniger ökonomisch betrachtet.

Bild SAGE3Lieferant*innen haben eine große Bedeutung für die Art der verwendeten Farbe im Elsass. Viele Maler*innen wählen ihre Produkte über Lieferant*innen aus, die häufig Baustellen besuchen, um ihre Empfehlungen für ein geeignetes Farbsystem abzugeben. Darüber hinaus arbeiten die Lieferant*innen meist mit bestimmten Hersteller*innen zusammen und empfehlen deren Produkte.

Bild SAGE2Wie auch viele Bewohner*innen, bezeichnen viele Maler*innen Algen-bewachsene Fassade als schmutzig, bzw. baufällig. Der Großteil der Maler*innen sieht in dem Algenbewuchs eine Gefahr für die Fassade und geht davon aus, dass synthetisch hergestellte Farben am ehesten einen Algenbewuchs verhindern könnten. Allerdings gehen viele Maler*innen auch davon aus, dass die Biozide lange in der Fassadenfarbe erhalten bleiben und wissen nichts von deren Auswaschung.

Weiteres Vorgehen

In den kommenden Monaten werden die Analysen der Ergebnisse der Umfrage im Elsass sowie eine quantitative Erhebung in Freiburg abgeschlossen. Schließlich sind Ende des Jahres Workshops mit Akteur*innen in Straßburg und in Deutschland zum Umgang mit Bioziden in Fassadenfarben geplant.

Institut Erde und Umwelt Straßburg (ITES) / Earth & Environment Strasbourg (EES)

(ehemals Labor für Hydrologie und Geochemie - LHyGeS)

Stand

Im Straßburger Stadtteil Adelshoffen-Schiltigheim wurden im letzten Herbst durch die Wissenschaftler*innen des Instituts Erde und Umwelt Straßburg (ITES, CNRS, Universität Strasbourg, ENGEES) umfangreiche Feldexperimente aufgebaut. Neben verschiedenen Sensoren, die in dem Wohnviertel Wasser- und Stoffflüsse messen, wurden künstliche Wände und künstliche Bodenkörper, sogenannte Lysimeter, errichtet um die Biozidauswaschung aus Fassaden und die Verlagerung von Bioziden im Boden genauer untersuchen zu können. All diese Geräte und Versuchsaufbauten werden betreut und kontinuierlich gewartet. Darüber hinaus werden regelmäßig Proben entnommen und im Labor der Bild ITES1Universität Straßburg auf verschiedene Biozide und ihre Transformationsprodukte analysiert. Erste Ergebnisse an den künstlichen Fassaden deuten auf eine frühe Auswaschung der Biozide hin. In den Lysimetern wurde sowohl die Bildung von verschiedenen Transformationsprodukten als auch deren Auswaschung gemessen.
Neben den zahlreichen Feldversuchen sind die Wissenschaftler*innen weiterhin intensiv mit der Anpassung der Methode der Komponenten-spezifischen Isotopenanalyse (CSIA) für die Untersuchung des Abbaus des Biozids Terbutryn in der Umwelt beschäftigt.

Weiteres VorgehenBild ITES4

Die Feldversuche in Adelshoffen-Schiltigheim werden, genauso wie die Laborversuche, weitergeführt. Dabei wird gerade die Aufarbeitung und Analyse der genommenen Proben im Labor viel Zeit in Anspruch nehmen. Weiterhin wird die Auswaschung von Bioziden im Untersuchungsgebiet, u.a. im Rahmen einer Masterarbeit mit Hilfe der Simulationsmodelle FReWaB-PLUS des Projektpartners WWL sowie COMLEAM modelliert.

Berichte aus Freiburg

Professur für Hydrologie/Professur für Sedimentologie (UF-HY/UF-SE) / WWL Umweltplanung und Geoinformatik GbR (WWL)

Stand

Bild UF HY3Neben zahlreichen Untersuchungen zum Eintrag von Bioziden in das urbane Grundwasser im Freiburger Stadtgebiet, führen die Wissenschaftler*innen der Hydrologie sowie der Sedimentologie der Universität Freiburg auch Untersuchungen in einem Stadtteil Landaus durch. Hier werden in mehreren Messkampagnen Wasser- und Bodenproben in einer Regenwasser-versickerungsmulde genommen. Die Proben werden nach der Entnahme innerhalb von 24 Stunden gekühlt zur Analyse zum Projektpartner INUC nach Lüneburg geschickt.

Bild UF HY1Die in diesen Versuchen gewonnen Daten werden auch dafür genutzt, die Kalibrierung des Simulationsmodells FReWaB-PLUS weiter zu verbessern. Darüber hinaus wird FReWaB-PLUS derzeit einer intensiven Überarbeitung durch das Ingenieurbüro WWL unterzogen. Dabei wird das Feedback der Projektpartner aus Freiburg, Lüneburg und Straßburg genutzt, die FReWaB-PLUS zur Modellierung von Biozidauswaschungen in den jeweiligen Projektstädten nutzen. Das Nutzerhand zum dem Simulationsmodell wurde mittlerweile ins Französische übersetzt und kann nun auch durch die französischen Projektpartner genutzt werden.

Bild UF HY2Weiterhin wurden die Karten, die die verschiedenen Risikofaktoren der Biozid-auswaschung visualisieren, aktualisiert und stehen nun auch für die Projektstädte Landau und Lüneburg auf der Projekthomepage zur Verfügung.

 

Weiteres Vorgehen

In den folgenden Monaten wird die Probenahme in Landau-Nussdorf durch die Forscher*innen der Hydrologie und der Sedimentologie der Universität Freiburg weiter fortgeführt. Zusätzlich werden die Wasser- und Stoffflüsse in dem kleinen Einzugsgebiet in Landau-Nussdorf modelliert. Schließlich wird FReWaB-PLUS, nachdem die Modelloptimierungen umgesetzt sind, intensiv durch die Projektpartner getestet werden.

Bericht aus Lüneburg

Institut für Nachhaltige Chemie (INSC)

(ehemals Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie - INUC)

Stand

Eine wesentliche Aufgabe der Wissenschaftler*innen des Instituts für Nachhaltige Chemie der Leuphana Universität Lüneburg im Projekt NAVEBGO ist die Analyse von Wasser- und Bodenproben aus Freiburg, Landau und Lüneburg auf Biozide und deren Transformationsprodukte. Teilweise waren diese Analysen durch die COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen deutlich verzögert. Doch mittlerweile konnte die Laborarbeit an der Leuphana Universität wieder im gewohnten Maße aufgenommen und zahlreiche Proben für das Projekt NAVEBGO analysiert werden.

Bild INUC1Weiterhin arbeiten die Forscher*innen des INUC intensiv an umweltfreundlichen und nachhaltigeren Alternativen zu Bioziden („Benign by design“). Spezielle Naturstoffe, die sogenannten Flavonoide, wurden dabei als mögliche Kandidaten ermittelt. Bioabbaubarkeits- und Aktivitätstests sollen deren Eignung klären. Neben der Eignung von Einzelsubstanzen werden auch die Effekte von Mischungen verschiedener Flavonoide genauer untersucht. 

Weiteres Vorgehen

In den Laboren des INUC der Leuphana Universität werden weiterhin Proben aus Feld- und Laborversuchen in Freiburg, Landau und Lüneburg auf Biozide und deren Transformationsprodukte untersucht. Darüber hinaus werden die Bioabbaubarkeits- und die Aktivitätstests mit den Flavonoiden intensiv weitergeführt.

Eindrücke von der Exkursion

In Adelshoffen-Schiltigheim, Statdtteil der Eurometropole Straßburg, kamen die Projektpartner*innen aus Straßburg, Landau, Lüneburg und Freiburg, Vertreter der Eurometropole Straßburg sowie Mitarbeiter*innen der Verwaltungsbehörde der Region Grand Est zusammen, um die Versuchsaufbauten der Wissenschaftler*innen der Universität Straßburg zu besichtigen.

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Nach einer kurzen Vorstellung des Projekts NAVEBGO durch den Projektleiter (eine Zusammenfassung finden Sie hier), stellten die Wissenschaftler der Universität Straßburg den Anwesenden ihre Feldversuche sowie die soziologischen Studien näher vor. Eine Besonderheit war, dass ein Teil der Präsentationen in Deutsch und ein Teil in Französisch gehalten wurde. Das unterstreicht den grenzüberschreitenden Charakter unseres Projektes. Parallel zu den Präsentationen wurden kleine Interviews durch einen Journalisten für die französische Zeitung „20 minutes“ geführt.