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Videokonferenz (Juni 2021)

Auch unser 5. NAVEBGO-Projekttreffen musste aufgrund der COVID-19-Pandemie im virtuellen Raum stattfinden. Dazu trafen wir uns am 06.09.2021 zu unserer dritten Videostatuskonferenz um uns wieder über bisherige Ergebnisse und weitere Kooperationen innerhalb des Projektes auszutauschen.

Besonderheit unseres fünften Projekttreffens war diesmal der überaus spannende Gastvortrag von Michael Burkhardt, Professor an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil und Experte im Bereich Stoffemissionen aus Baustoffen. Vielen Dank dafür!

Die COVID-19-Pandemie war und ist besonders für ein Projekt wie unseres, das auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit baut, eine große Herausforderung. Sowohl Interviews mit Akteuren auf beiden Seiten des Rheins als auch Laborexperimente mussten verschoben werden. Das brachte auch unseren Zeitplan ins Wanken. Dank INTERREG dürfen wir unser Projekt nun aber kostenneutral bis zum 30.09.2022 verlängern. Dadurch ist gesichert, dass wir unsere gesteckten Ziele bis Projektende erreichen können. Ein Prost darauf rundete das Projekttreffen ab.

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Gastvortrag von Michael Burkhardt

Bild Burkhardt2Fassaden und deren Materialien wie Holz, Metall, Stein, Putz und Farben sind sehr anspruchsvollen Wetterbedingungen ausgesetzt. Sie müssen starke UV-Strahlung, Temperaturen von -10 bis 60°C, unterschiedliche Feuchtigkeit und starke Regenfälle von 5-100 L/m2 pro Jahr aushalten. Modernen organischen Farben und Putzen sind heutzutage häufig Biozide (z.B. Terbutryn oder Diuron) zugesetzt um Algen- und Pilzbildung an schlecht trocknenden Fassaden zu verhindern. Wenn diese Stoffe ausgewaschen werden, können sie mit dem Regenwasser in Oberflächengewässer, Böden und das Grundwasser transportiert werden und dort schädlich für die Ökosysteme sein.

Bild Burkhardt1Die Auswaschung von Bioziden aus Fassaden kann durch verschiedene Maßnahmen reduziert werden. Die Verkapselung von Bioziden, die mittlerweile Stand der Technik ist, führt zu einem langsameren Transport der Biozide in der Fassade und damit zu einer reduzierten Auswaschung. Neben den Eigenschaften der Fassaden und der Biozide selber, haben auch die sogenannten Formulierungen, also die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Putze und Farben einen Einfluss auf die Auswaschung von Bioziden.

In standardisierten Laborversuchen werden die Auswaschungseigenschaften verschiedener Baumaterialien getestet. Solche Daten können dann auch für die Rechnung verschiedener Auswaschungsszenarien, z.B. unter verschiedenen Klimabedingungen, mit Hilfe professioneller Software-Programme (z.B. COMLEAM) verwendet werden. Um Akteur*innen wie Bauende, Architekt*innen oder Handwerker*innen über Risiken und Alternativen zu Biozid-haltigen Bauprodukten und den vorbeugenden Gebäudeschutz zu informieren, erarbeiten Fachleute, wie Herr Burkhardt in Zusammenarbeit mit Fachbehörden, wie dem Umweltbundesamt, entsprechende LeitfädenBild UBA

Zur Reduzierung der Auswaschung von Bioziden aus Bauprodukten könnte auch deren Berücksichtigung bei der Vergabe von Umweltgütesiegeln wie der Umwelt-Produktdeklaration (EPD) des Instituts Bauen und Umwelt oder dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sein.

 

Berichte aus Strasbourg

Labor Gesellschaften, Akteure und Regierung/Herrschaft in Europa (SAGE)

Stand

Bild SAGE1Trotz COVID-19-Pandemie konnten die Wissenschaftler*innen des Labors SAGE der Universität Strasbourg Interviews mit Anwohner*innen eines Freiburger Wohnviertels durchführen. Dabei fanden sie heraus, dass Fassaden im Wesentlichen zwei Funktionen erfüllen. Zum einen haben Fassaden für die Bewohner*innen eine Schutzfunktion und sind nötig damit sie sich im Haus sicher fühlen. Eine Algen-bewachsene Fassade wird daher oft als beschädigt angesehen und damit mit ungesunden Lebensbedingungen in dem Haus selber in Verbindung gebracht. Zum anderen sind Fassaden so etwas wie die Träger der sozialen Identität. Die Fassaden der Häuser vermitteln gewissermaßen ein positives Bild der Bewohner*innen eines Wohnviertels.

Bewachsene Fassaden werden wiederum als ästhetisch ansprechend wahrgenommen, wennBild SAGE3 sie „kontrolliert“ und gepflegt sind. Wenn die Begrünung allerdings die Grenzen zum privaten Raum der Bewohner*innen überschreitet, werden sie eher als „gefährliche“ Wildnis und damit als unerwünscht angesehen. Diese Ergebnisse können bei der Erarbeitung von Maßnahmen zur Reduzierung des Biozideinsatzes und zur nachhaltigen Fassadengestaltung helfen.

Weiteres Vorgehen

Ende Juni 2021 sind weitere Interviews mit Anwohner*innen eines Freiburg Wohnviertels geplant. Darüber hinaus wird eine online-Befragung von Maler*innen in Frankreich und in Deutschland fortgesetzt. Schließlich sind Ende des Jahres Workshops mit Akteur*innen in Straßburg und in Deutschland zum Umgang mit Bioziden in Fassadenfarben geplant.

Institut Erde und Umwelt Straßburg (ITES) / Earth & Environment Strasbourg (EES)

(ehemals Labor für Hydrologie und Geochemie - LHyGeS)

StandBild LHYGES1

Die Wissenschaftler*innen des Instituts Erde und Umwelt Straßburg (ITES, CNRS, Universität Strasbourg, ENGEES) haben im letzten Herbst ein umfangreiches Feldexperiment im Straßburger Stadtteil Adelshoffen-Schiltigheim gestartet. Hier wurden unter anderem verschiedene Sensoren installiert um Wasser- und Stoffflüsse, die von den Fassaden kommen, zu messen. Darüber hinaus wurden künstliche Wände aufgebaut, um die Biozidauswaschung aus Fassaden genauer untersuchen zuBild LHYGES4 können. Daneben wurden zusätzlich künstliche Bodenkörper, sogenannte Lysimeter, aufgestellt. Diese wurden extra für die Versuche in Strasbourg aus Freiburg gebracht, wo sie zuvor von den Forscher*innen der Hydrologie der Universität Freiburg für Versickerungsversuche verwendet wurden. Mit deren Hilfe kann die Verlagerung der Biozide im Boden untersucht werden. Bei einem großen Aktionstag des Stadtviertels Adelshoffen-Schiltigheim im Juni („Journée nature“) konnten die Experimente den Anwohner*innen sowie der Bürgermeisterin des Stadtviertels vorgestellt werden.  Neben den zahlreichen Feldversuchen sind die Wissenschaftler*innen weiterhin intensiv mit der Anpassung der Methode der Komponenten-spezifischen Isotopenanalyse (CSIA) für die Untersuchung des Abbaus des Biozids Terbutryn in der Umwelt beschäftigt.

Weiteres VorgehenBild LHYGES3

Sowohl die Feldversuche in Adelshoffen-Schiltigheim als auch die Laborversuche werden über den Sommer weitergeführt. Gerade in den Feldversuchen werden in den kommenden Monaten zahlreiche Proben genommen, deren Aufbereitung und Analyse im Labor viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Darüber hinaus sollen die Biozidauswaschungen im Untersuchungsgebiet u.a. im Rahmen einer Masterarbeit mit Hilfe der Simulationsmodelle FReWaB-PLUS des Projektpartners WWL sowie COMLEAM modelliert werden.

Bericht aus Landau

Arbeitsgruppe Funktionelle Aquatische Ökotoxikologie (AG FAÖ)

Stand

DBild FAÖ1ie Wissenschaftler*innen der Arbeitsgruppe Funktionelle Aquatische Ökotoxikologie der Universität Koblenz-Landau führen im Rahmen von NAVEBGO ökotoxikologische Untersuchungen mit den Testorganismen Daphnia magna (Wasserfloh) und Desmodesmus subspicatus (Grünalge) durch. Im Fokus der aktuellen Untersuchungen steht das ökotoxikologische Potential von NanopartikBild FAÖ2eln am Beispiel von Titandioxid- (TiO2) und Silbernanopartikeln (nAg), die auch in modernen Farben enthalten sind und durch Regenwasser ausgewaschen werden können. Dabei werden die chronischen Effekte auf den Wasserfloh Daphnia mit Hilfe sogenannter Mehrgenerationstests untersucht. Hierbei wird der Testorganismus den Nanopartikeln über mehrere Generationen hinweg ausgesetzt. Währenddessen wird in regelmäßigen Abständen die Sterblichkeit, die Reproduktion sowie die Größe der Wasserflöhe erfasst. In einem weiteren Versuch wird die Abbaubarkeit von Bioziden wie Terbutryn in einem Photokatalysereaktor, der von der AG FAÖ im Rahmen des INTERREG-Projektes PHOTOPUR entwickelt wurde, getestet. Erste Ergebnisse deuten auf eine sehr gute Abbaubarkeit von Terbutryn in dem Reaktor hin.

Weiteres Vorgehen

Neben der Weiterführung der chronischen Toxizitätstests (Multigenerationstests mit Daphnia) mit Nanopartikeln bzw. Nanopartikel-haltiger Farbe, werden die Forscher*innen der Arbeitsgruppe FAÖ der Universität Koblenz-Landau ökotoxikologische Untersuchungen an Proben aus den verschiedenen Feldexperimenten des Instituts Erde & Umwelt der Universität Strasbourg durchführen.

Berichte aus Freiburg

Professur für Hydrologie/Professur für Sedimentologie (UF-HY/UF-SE) / WWL Umweltplanung und Geoinformatik GbR (WWL)

StandBild UF HY

Um den Eintrag von Bioziden und deren Transformationsprodukten in das urbane Grundwasser noch besser abschätzen zu können, entnehmen die Wissenschaftler*innen der Hydrologie sowie der Sedimentologie der Universität Freiburg zahlreiche Grundwasserproben im Freiburger Stadtgebiet. Die Proben werden nach der Entnahme innerhalb von 24 Stunden gekühlt zur Analyse zum Bild UF HY3Projektpartner INUC nach Lüneburg geschickt. Die hier gewonnenen Daten können dann auch für die Kalibrierung der Biozidauswaschung im Simulationsmodell FReWaB-PLUS verwendet werden, was zu einer deutlichen Verbesserung des Modells beitragen wird. Darüber hinaus wird der Eintrag von Bioziden in das urbane Grundwasser eines ganzen Stadtteils durch Kopplung verschiedener Simulationsmodelle (COMLEAM, URBAN Roger und MODFLOW) abgeschätzt werden.

 

Biozidkarten Freiburg Übersicht+Einzelkarten Beschattung DE

Zusätzlich wird derzeit an der Hydrologie der Universität Freiburg zusammen mit dem Ingenieurbüro WWL ein Nutzerhandbuch für FReWaB-PLUS erarbeitet. Außerdem wurden die Wetterdaten für Frankreich und Deutschland im Modell FReWaB-PLUS durch den Projektpartner WWL aktualisiert. Darüber hinaus wurden im Rahmen von Studienprojekten weitere Daten zur Erfassung von Risikofaktoren für die Biozidauswaschung aus Fassadenfarben erhoben und entsprechende Karten für die Projektstädte Freiburg, Landau und Lüneburg erstellt bzw. aktualisiert.

Weiteres Vorgehen

In Landau-Nussdorf werden weitere Proben durch die Forscher*innen der Hydrologie und der Sedimentologie der Universität Freiburg entnommen und auf Biozide und deren Transformationsprodukte hin untersucht. Weiterhin werden in Freiburg weitere Grundwasserproben entnommen und die Modellierung des Eintrags von Bioziden in das urbane Grundwasser fortgeführt. In Kooperation mit dem Ingenieurbüro WWL werden sowohl das Simulationsmodell FReWaB-PLUS als auch das Nutzerhandbuch weiter optimiert. Letzteres wird dann übersetzt um auch in Frankreich genutzt werden zu können.

Bericht aus Lüneburg

Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie (INUC)

Stand

Bild INUC1Im Rahmen von NAVEBGO werden Wasser- und Bodenproben aus den Projektstädten Freiburg, Landau und Lüneburg durch die Wissenschaftler*innen des Instituts für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg auf Biozide und deren Transformationsprodukte untersucht. Nach der Entnahme der Proben werden diese gekühlt innerhalb von 24 Stunden nach Lüneburg geschickt, wo sie dann analysiert werden können. Einen wesentlichen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich der Fassadenfarben leisten die Forscher*innen des INUC indem sie intensiv an nachhaltigeren Alternativen zu Bioziden forschen („Benign by design“). Derzeit werden Bioabbaubarkeitstests sowie Aktivitätstests mit zahlreichen Vertretern der Stoffklasse der Flavonoide durchgeführt. Das sind Naturstoffe, die als umweltfreundliche und hoffnungsvolle Alternativen zu Bioziden angesehen werden.  Neben den Laborversuchen wird am INUC auch im Rahmen eines Kurses für Studierende Bild INUC2das Simulationsmodell FReWaB-PLUS des Projektpartners WWL für die Modellierung der Biozidauswaschung in einem Lüneburger Stadtteil genutzt. In diesem Kurs wird auch ein Handbuch zu FReWaB-PLUS, das durch Forscher*innen beim Projektpartner der Universität Freiburg im Rahmen von NAVEBGO erarbeitet wird, intensiv durch die Studierenden getestet und das Feedback genutzt.

Weiteres Vorgehen

Bei Feld- und Laborversuchen in Freiburg, Landau und Lüneburg werden wieder zahlreiche Umweltproben genommen, deren Analyse auf Biozide und deren Transformationsprodukte in Lüneburg weitergeführt wird. Darüber hinaus werden die Bioabbaubarkeits- und die Aktivitätstests der Flavonoide intensiv weiterführt. Erste Ergebnisse sollen dann in einem Fachjournal veröffentlicht werden.